Montag, 8. Juni 2009

Kapitel 13.2

Während Senffs Stellvertreterzeit war in einem anderen Bundesland der vormalige Fürst der Denkmalpflege Dr. Stüht in den Ruhestand gegangen. Ein Jahr lang blieb die Stelle unbesetzt, dann gedachte die Politik, der gesetzmäßigen Notwendigkeit zu folgen und erneut einen Landesdenkmalpfleger einzusetzen.
Senff bewarb sich und warf völlig aufgeregt alles in die Waagschale, was sich im positiven Sinne für ihn nur bewegen ließ. Längst hatte er ein Netzwerk aus Speichelleckern um sich gescharrt, die er mehr oder weniger regelmäßig mit Pöstchen und Kurzprojekten versorgte, soweit es in seiner Macht stand. Er selbst dümpelte geistlos durch sein Amt, ließ aber die Kofferträger ganze Ausstellungen, neue fachübergreifende Projekte und sogar bei Nacht anberaumte Spezialtransporte erledigen. Hinterher schmückte er mit deren Leistungen sein eigenes Curriculum. Das war schließlich die angemessene Währung, in der sie diese Vetternwirtschaft zu vergelten hatten.
Was waren das in dieser Zeit nur alles für wundervolle Ideen, die ihm nachgesagt wurden. Wie waren die meisten Kollegen im Elfenbeinturm begeistern von Senffs Einfällen. Nur wer die Augen öffnete, sah natürlich, dass die Eingebungen alles andere als wundervoll waren. Und die Eingeweihten wussten, dass sie nicht von Senff waren. Die hielten aber den Mund und dienten viel lieber als Werbeträger ihrer eigenen Einfälle. Sie tingelten durch die Lande und von Kongress zu Kongress, um die vorzügliche Arbeit ihres Herrn über jeden Klee zu loben. Das war natürlich nichts Neues, dienten diese Veranstaltungen über die hohlen Lobgesänge hinaus doch längst schon zu nichts anderem als zu Bebauchpinselungen, der abendlichen Aushandlung von Stellen und dazu, Leute mit seiner Anwesenheit zu ärgern, die man nicht leiden konnte. Wissenschaftliche Neuigkeiten dagegen sollen hier gar nicht ausgetauscht werden, im Gegenteil gilt es, echte Ergebnisse eifersüchtig bis zur „richtigen“ Veröffentlichung zu hüten, bevor sie jemand anderer mit seinem Namen verknüpfen kann. In diesem Berge des Herrn leisteten Senffs Lakaien jedoch ganze Arbeit, seine große Stunde schlug und er erhielt die gewünschte Stelle.
Das lag allerdings mehr daran, dass seines Vorgängers bisheriger Stellvertreter und Wunschkandidat, Dr. Schehlen, die Stellung aus unerfindlichen Gründen abgelehnt hatte. Er war der Meinung gewesen, dass er einen solchen Job auch in der ihm angemessenen Weise hätte ausfüllen sollen. Das hätte mehr als einen normalen Vollzeitjob bedeutet und dazu war Schehlen nicht bereit gewesen. Daher rutschte die Verantwortung für die Besetzung und die eigentliche Entscheidung endgültig zum zuständigen Kultusministerium. Was sich kein denkender Mensch wünschen konnte, war also aus dem Amt heraus nicht mehr zu verhindern. Das dritte Jahrtausend war kaum zwei Jahre alt, da wurde Dr. habil. Maxim Senff zum Direktor eines Denkmalpflegeamtes gemacht.
Als sein Vorgänger Dr. Stüht von dieser Besetzung erfuhr, bekam er einen Schlaganfall, von dessen Folgen er sich bis zu seinem baldigen Sterbebett nicht wieder erholen sollte.
Natürlich führte der vor unberechtigtem Selbstvertrauen nur so strotzende Senff sein neues Amt genauso kläglich wie alles andere, was er je zuvor geleistet hatte. Nur in seinen Augen war dieser Aufstieg schlechterdings unvermeidlich. Seiner Ansicht nach konnte der zur Sonne fliegende Vogel eben nichts dafür, dass die Eule im Dunkeln sitzt. Und Senff hielt sich eindeutig für den zur Sonne fliegenden Vogel.
Dr. Stüht sah vom Krankenbett, wie sein Lebenswerk demontiert wurde, während Senff abermals die Möglichkeit erhielt, ein Amt in Grund und Boden zu richten, zum Unruhm seines eigenen Namens.
Gleichzeitig gelang ihm das Kunststück, in Abwesenheit eine weitere Stelle zu vernichten. Denn die Wiederbesetzung seines alten Stellvertreterpostens im Osten wurde vom Ministerium zunächst eingefroren. In dieser Zeit der Vakanz wurde die für den Stellvertreter anfallende Arbeit von anderen, deutlich minder bezahlten Mitarbeitern gemacht. Überraschenderweise leisteten die Angestellten die Arbeit sogar besser. Daher beschloss das Ministerium nach einem Jahr kurzerhand, die Stelle gänzlich wegfallen zu lassen. Die Begründung war erstaunlich. Natürlich wäre jeder objektive Beobachter zu demselben Schluss gekommen, dass Senff sehr leicht ersetzbar war. Allerdings hätte das Ministerium ihn mit exakt derselben Begründung genauso gut zuvor feuern können, denn notwendig war er in seinem ganzen Leben noch nicht gewesen. Wer aber in solcher Weise schimpfte, galt im Fach schnell als Kleingeist mit böser Zunge.