Samstag, 13. Juni 2009

Kapitel 13.3

Senffs Gedanken lösten sich von seinen Träumereien, die Augen verloren ihre Fixierung auf die Holzvertäfelung. Er trank den letzten Rest Kaffee aus seiner Tasse, stellte sie auf die milchbefleckte Untertasse und seufzte leicht. Er stand von seinem Bürostuhl auf und schritt gemäßigt um seinen Schreibtisch. Ein kurzer Blick auf die Standuhr gegenüber verriet ihm, dass bald Mittagspause wäre. Er merkte, dass er zur Toilette musste. Er schritt zur Tür und ging hinaus.
„Herr Direktor?“, fragte die sich wundernde Scheckow, „die Post ist noch nicht durch.“
„Ja, ich weiß“, flötete Senff, leicht geniert ergänzte er, „ich muss noch mal.“ Dann lief er zur Toilette.
Die Herrentoilette befand sich auf derselben Etage wie das Chefbüro. Das war natürlich kein Zufall, sondern mit Bedacht eingerichtet. Am Ende des Ganges zur Linken lagen die sanitären Anlagen, die wie in jedem Amt gestaltet waren: die Räumlichkeiten schlecht und einfach gekachelt, als Waschbecken dienten 08/15-Modelle unter Normspiegeln. Daneben hing ein rechteckiger Gitterkorb, der mit ineinandergefalteten Tüchern aus graugrünem Sandpapier zur Hälfte befüllt war.
Senff schritt an den Becken vorbei, warf einen kurzen Blick auf mehrere geknüllte Tücher, die sich vor dem gegitterten Mülleimer verlustierten, wie er vermutete, allein um seine Ordnungszwänge zu stören. Dann trat er in das Zentrum des Ruhetempels. Zur Linken waren drei Pissoirs installiert, die auch schon bessere Tage gesehen hätten, wäre ihnen das Augenlicht gegeben. Senff blickte nach rechts, kontrollierte, ob die einzelne Zelle frei war und konstatierte unter dem Griff erleichtert das Grün, mit dem ihm das Kloschloss unter der Klinke anlächelte. Mit Gemach stellte er sich in die Zelle, schloss die Tür und drehte das Schloss zu. Kaum wollte er damit beginnen, die Hose zu öffnen, um sich zu erleichtern, da hörte er, wie sich die Tür zur Toilette wieder öffnete. Zwei Mitarbeiter kamen herein und unterhielten sich gedämpft, aber angeregt.
„Hast du schon von Schehlen gehört?“
„Nee, was ist denn mit dem?“
Den Geräuschen zufolge traten beide an die Pissoirs und befüllten die ewig verstopften Dinger.
„Na, der muss jetzt sogar sein Häuschen verkaufen. Der ist total verzweifelt. Kommt gerade aus der Anstalt raus und steht vor einem Schuldenberg.“
Senff machte ein verkniffenes Gesicht und begann leise zu pinkeln. Da die beiden offenbar nicht bemerkt hatten, dass noch jemand anwesend war, versuchte er tunlichst, die Keramik zu treffen, um keine plätschernden Geräusche zu verursachen.
„Hatte seine Frau nicht eine Stelle bei ner Schule?“
„Ja, bei der VHS hat die gearbeitet, aber als er in die Klinik musste, musste sich ja einer um die Kinder kümmern.“
„Ah so!“