Dienstag, 20. Oktober 2009

Kapitel 16.1

Senff hatte auf unschöne Weise erkennen müssen, dass man fragwürdigen Menschen aus dem Weg gehen sollte. Nur so lässt es sich nämlich vermeiden, von solchen Personen in unkoschere Sachen hineingezogen zu werden. Das gilt sogar dann, wenn man selbst fragwürdig ist.
Senffs Karriere war dahin. Es war ihm nun nicht allein verwehrt, Kultusminister zu werden. Er war kaltgestellt, weil nun auch die E-Mail-Affäre bekannt wurde. Niemand konnte ihn mehr decken. Er hatte praktisch schon kein Privatleben mehr gehabt, da versank er schlagartig auch beruflich in eine Bedeutungslosigkeit, die er zuvor nicht gekannt hatte.
Jetzt saß er die meiste Zeit nur noch mit einem besonders leeren Blick in seinem Büro und fühlte sich, als säße er seit Jahren, seit Jahrzehnten in einem Wüstenbrunnen. Dort, so empfand er, lebte er verdurstend weiter. Der Brunnen war so tief, dass er die Sterne sehen konnte, auch tagsüber. Daher war um ihn und über ihn eigentlich nur noch Nacht. Ab und an erschien es ihm, als beuge sich jemand über den Brunnenrand, um zu ihm hinabzublicken. Spätestens wenn demjenigen aber klar wurde, dass im Brunnen kein Wasser mehr war, verließ er ihn wieder wortlos. Und so gingen alle und verließen ihn. Nach oben klettern konnte Maxim nicht, weil die Wände glatt und ohne jeden Halt waren. Ja, es fehlte ihm der Halt, er hatte nur den schweren, treibsandigen Boden unter seinen Füßen. Und der hatte keine Balken.