Samstag, 28. März 2009

Kapitel 11.1

Im Verlauf der letzten Grabungswochen überschlugen sich die Ereignisse. Orka reichte mit einem nächtlichen Telefonat eine mündliche Entschuldigung für zwei weitere Wochen ein und auch Jonas verließ uns leider. Im Gegensatz zu Orkas offensichtlicher Krankfeierei war sein Ausscheiden allerdings keineswegs freiwillig, sondern hatte Ursache in einer richtiggehenden Suspendierung von Seiten Senffs. Jonas hatte eines schönen Wochenendes nämlich ungebetenen Besuch von der Polizei bekommen, weil sie in ihm einen großkalibrigen Drogenproduzenten sahen. Ein guter Freund des Schweden, den er noch aus seiner heißen Besetzerzeit kannte, hatte nämlich in dem Bahnhofsgebäude eines kleinen ostdeutschen Örtchens einen Keller angemietet, um dort Marihuana anzupflanzen. Leider war für die Anmietung noch ein Bürge notwendig geworden und Jonas hatte sich zur Verfügung gestellt. Er war aber abgesehen vom Eigenbedarf an dem Anbau nicht beteiligt. Der Keller befand sich pikanterweise direkt unter den Amtsräumen des BGS, der an dem damals noch genutzten Bahnhofs stationiert war. Die Elektrik der Räumlichkeiten war in einem miserablen Zustand und so kam es eines Tages, wie es kommen musste, die Sicherungen für irgendwelche Lampen und Belüftungsanlagen versagten und der Keller stand in kürzester Zeit in Flammen. Der BGS bemerkte zwar das Feuer, die Beamten begriffen aber nicht einmal angesichts des süßlichen Gestanks, dass sie jahrelang über der größten Haschischplantage des Landkreises gearbeitet hatten. Sie riefen die Feuerwehr und erst als diese die Zugänge aufbrach und das Feuer löschte, wurde die ermittlungstechnische Peinlichkeit bekannt. Nun stand die Kripo unter Zugzwang. Sie musste für die Lächerlichkeit der Kollegen geradestehen und griff dementsprechend mit voller Härte durch. Der eigentlich Mieter wurde kassiert, Jonas wurde vorgeladen, und als Senff von Sache Wind bekam, ließ er den Schweden auf der Stelle suspendieren. Freilich musste das Verfahren gegen Jonas aufgrund mangelnder Beweise innerhalb kürzester Zeit eingestellt werden. Es konnte ihm nämlich nicht einmal nachgewiesen werden, dass er den Keller jemals betreten hatte. Kein BGS-Beamter und kein Bahnhofsangestellter konnte ihn identifizieren. Und obwohl es der Staatsanwaltschaft ebenso wenig gelang, ihm auch nur Mitwisserschaft nachzuweisen, sollte genau diese oberflächliche Verbindung zum organisierten Drogenhandel ihm schließlich in Göteborg das juristische Genick brechen.
Nach der Verfahrenseinstellung in Deutschland kam Senff manchem Mitarbeiter gegenüber in Erklärungsnöte, da er sich stets als herzensguter und nächstenliebender Christ darstellen wollte. Er hätte ihn ja so gerne weiter beschäftigt, erzählte er dann, aber es sei einfach nicht möglich gewesen, rechtfertigte er sich, der Druck von oben sei zu groß gewesen. Das kann nicht ganz richtig sein, weil er gegenüber gleichrangigen Kollegen anderer Ämter durchweg betonte, dass er jede Zeit die vollständige Kontrolle über die Personalpolitik der Abteilung Sonderprojekte gehabt hatte. Er muss also gelogen haben.
Sei es, wie es sei, das Ergebnis blieb das gleiche. Jonas war die letzten Wochen nicht mehr auf unserer Grabung, die Mitarbeiter ergötzten sich staunend an den reißerischen Artikeln der lokalen Kleinzeitungen, die von regelmäßigen Besuchen der internationalen Drogenmafia auf irgendwelchen Einödhöfen des Landkreises schwadronierten. Gleichzeitig schüttelten alle den Kopf, weil jeder den Schweden zumindest so gut kennengelernt hatte, dass die hingeschmierten Räuberpistolen offensichtlich nicht stimmen konnten. Besonders Hans zeigte sich über diese Hetze empört und verglich sie wiederholt mit dem Schwarzen Kanal.