Samstag, 28. Februar 2009

Kapitel 9.2

Micha kam erst spät in die Unterkunft der ehemaligen LPG. Orka fuhr ihn noch vorbei, warf ihn zügig aus dem Auto und brauste mit durchdrehenden Reifen davon. Ich hatte mir gerade den Grabungsdreck in der nachträglich eingezogenen Billigdusche abgewaschen und schlenderte den Gang hinab zu meinem Zimmer, als Micha mir entgegen kam. Wir gingen zusammen in mein Wohnbüro und er überreichte mir mit verdrehten Augen Niv, Stativ und Messlatte.
„Ich muss mich entschuldigen“, war das erste, was er sagte, „du hattest recht. Sie ist eine Katastrophe.“
Ich schwieg, hörte mir den neuesten Tratsch stumm an, tief in meinem Innersten muss ich triumphiert haben, ich weiß es nur nicht mehr. „Wir haben die Befunde in den Quadranten B zehn bis zwölf nivelliert. Erst habe ich abgelesen und sie hat die Latte gehalten, dann haben wir gewechselt und das Ganze nochmal gemacht.“ Er schüttelte seinen Kopf. „Es ist einfach nicht zu fassen: Sie macht falsch, was man nur falsch machen kann. Sie hat Zahlendreher drin, dass sie 19 statt 91 schreibt, sie peilt über den falschen Strich in der Optik, so dass schon auf einer Entfernung von zehn Metern ein Fehler von 30 cm entsteht. Sie guckt nicht richtig. Ich habe ihr gesagt, dass sie sich die Optik richtig einstellen muss, und ihr gezeigt, wie man das macht. Keine Chance!“ Jetzt zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß einfach nicht, was man da machen kann, so schwer ist das doch nicht, das kann doch jeder Idiot.“ Jetzt lachte er wieder wie ein Pferd: „Sogar ich!“
„Mich überrascht das langsam nicht mehr, du hast ja nicht gesehen, was sie für eine Katastrophe beim Zeichnen war. Die Frau kann einfach nix.“
„Welche Frau?“
„Orka!“
„Das ist ’ne Frau?“, lachte er.
Ich stimmte ein: „Biologisch schon!“
Micha lachte und formte mit den Armen an seinem Körper ein großes O: „Üch bün zwoi Tonks!“
Dann fiel mir ein, dass wir sie weiter auf der Grabung ertragen mussten, und mir blieb das Lachen im Halse stecken: „Die geht mir so auf den Keks, die lähmt nur die ganzen Betrieb. Die ist ja sogar zu doof, Befunde zu schneiden. Ich wünsch der fast schon den Tod auf den Hals!“, entrutschte es mir verächtlich.
„Den Tod?“, fragte Micha. „Viel zu harmlos. Da hat’se ja nix von. Besser irgendwas Mieses, woran sie schon zu Lebzeiten viel Spaß hat, zum Beispiel Herpes im Hirn.“ Er lachte und trollte sich gut gelaunt in sein Zimmer: „Ich geh jetz duschen.“