Montag, 29. Dezember 2008

Kapitel 3.6

Für den Tag der kleinen Pressekonferenz hatte Maxim einen besonderen Clou vorbereitet. Drei Tage zuvor war Professor Pickenpack samt kuchenbackender Frau im T2-Camper angereist. Es hieß, er solle für die Stiftung, die einen nicht unerheblichen Anteil der Ausgrabungen in Neuweiler finanzierte, ein Gutachten über die laufenden Arbeiten verfassen. Senff wollte Pickenpacks Anwesenheit jedoch eindeutig ausnutzen, der Professor sollte als Instanz den Wert des großen Fundes objektiv herausstellen helfen. In Anwesenheit des Professors und der „Schaufel am Sonntag“ galt es, vor klacksirrender Kamera und dem sich füllendem Notizblock ein Medienereignis zu inszenieren.
Zwei Abende vor dem historischen Höhepunkt Neuweilers war ein fremdes Auto in den Ort gefahren, das vor der Pension hielt, in der Senff übernachtete. Mehrere Rentner erzählten später, dass sie das verdreckte Kennzeichen des alten, mit Papiermüll, zahlreichen Bierdosen, Pizzakartons und zwei alten Druckern gefüllten Kadetts nicht lesen konnten. Aus dem Wagen stieg eine im Dorf unbekannte, mit einem Bundeswehrparka nahezu vermummte Gestalt, schlich sich vor Senffs gekipptes Fenster und warf durch den Spalt einen großen, wahrscheinlich wattierten Briefumschlag. Schnell verschwand der Schatten wieder in den Kadett und entfernte sich rasant aus dem Dorf.
Der unbekannte Schatten war der ehemalige Raubgräber Hinnerk, ein alter Bekannter Senffs. Hinnerk war inzwischen bei dem für seinen Wohnort zuständigen Denkmalamt als Techniker eingekauft, weil man so sein illegales Treiben in geordnete Bahnen zu lenken trachtete. Er besaß aber noch zahlreiche Funde aus seiner Raubgräberzeit und noch mehr Kontakte zum archäologischen Schwarzmarkt. In dem Briefumschlag befand sich sehr wahrscheinlich die später entdeckte Münze des Pertinax aus dem Jahre 193, vermutlich direkt mit einer regelrechten Expertise, die der durchaus fachlich geschulte Raubgräber bereits vorgefertigt hatte. Aus diesem Gutachten konnte Senff der Presse gegenüber fließend aus dem Stegreif zitieren, ohne noch einen Finger rühren zu müssen. Er mochte das schöne Gefühl, sich schlau zu fühlen.
Ob Hinnerk die Münze selbst irgendwo ausgegraben oder verdeckt auf dem Schwarzmarkt für Senff erstanden hatte, ist nicht mehr zu klären. Unzweifelhaft ist jedoch inzwischen, dass sie aufgrund der anhaftenden Patina nicht aus Neuweiler stammen konnte, sondern einige Zeit in einem Moor gelegen haben muss.
Senff war begeistert über diesen Einfall der Fundfindung, den er auch in Zukunft noch wiederholt einsetzte, um den Wert seiner Ausgrabungen zu steigern. Echte Funde interessierten ihn nun nicht mehr länger, sofern sie nicht in dem von ihm erwünschten Ausmaß an die Presse verkauft werden konnten.