Dienstag, 13. Januar 2009

Kapitel 5.2

Am Montag stand ich gegen acht Uhr am Amt. Da ich gewöhnlich ein recht pünktlicher Mensch bin, war ich natürlich vor Senff, vor Spasst und vor den meisten anderen Mitarbeitern an dem kleinen halbverfallenen Bau. Der wankelnde Pförtner ließ mich in das Gebäude und führte mich in das kleine, huckige Büro, in dem Matthias Spasst, Maxim Senff und eine Zeichnerin namens Merle während der Arbeit hausten.
Ich machte es mir auf einem der ausgeleierten und knarrzenden Drehstühle bequem und betrachtete das Amtszimmer. Büros sind bekanntlich grundsätzlich dazu geeignet, eine Vorstellung von den geistigen Vorgängen ihrer Nutzer zu vermitteln. Hier war ich nun mit der konzentrierten Form gleich zweier Schreibtischhengste und einer -stute auf einem nur knapp zwölf Quadratmeter messenden Raum mit einer hohen Decke und vollgestapelten Blechregalen aus dem Baumarkt konfrontiert. Dort stand eine dieser unseligen Bürotassen, die eine keramische Variante der mit neunmalwitzigen Sprüchen bedruckten T-Shirts darstellen. Hier hing eine alberne Autogrammkarte eines wurstigen G-Prominenten, um die im lobotomierten Fanwesen ausgedrückte Persönlichkeit des Schreibtischbedieners jedem zufälligen Besucher sogleich auf die Nase zu knoten. Am Schrank hing ein kasperiges Fax, das zu einem ausgedachten Trinkerkongress einlud und mit müden Verlockungen (Aspirin mit Monogramm) vermutlich selbst einem ausgewiesenen Asmussen-Publikum bestenfalls ein flaues Grinsen hervorzulocken vermöchte. Lediglich zwei an strategischen Punkten an die Wand geheftete und mit bunten Pins gespickte Pläne linearer Projekte ließen die Vermutung aufkommen, dass hier auch gearbeitet würde.
Ich hatte kaum eine halbe Stunde in dem Kabuff gewartet, als ein spießig gekleideter Fußabtreter zusammen mit einem blonden Rastafari schwatzend in das Büro bummelte. In der mit einem rosa gestreiften Hemd geschmückten Person erkannte ich gleich zurecht Matthias, der Typ mit den zu einem Zopf zusammengebunden Filzwürsten und einer abgetragenen dünn schwarzen Lederweste wirkte als kräftiger Kontrast zu diesem Schreibtischtäter. Durch Frisur und Klamotten bezeugte der Rasta mit Nachdruck, wie wenig er von dem aufgeputzten Amtszinnober hielt und erntete auf den ersten Blick einige Sympathiepunkte bei mir.
Matthias vermutete sofort, wer ich sei, und stellte mir den Rastamann als Jonas Grönahög vor. Jonas kam aus Schweden und grinste meist freundlich. Der Schwede, so erklärte Matthias, sei studierter Archäologe und solle im Verlauf der Woche als Techniker zu der Grabung stoßen. Heute sei er hier, um mir bei der Zusammenstellung der Werkzeuge zu helfen, da er wusste, welche Geräte sich bereits in der nahegelegenen LPG befänden und welche noch fehlten. Außerdem verriet mir der Klarchologe, dass Senff jeden Moment eintreffen müsste, um mir die Schlüssel für den angemieteten Dienstwagen aushändigen zu können. Bis dahin könnte ich jedoch bereits mit Jonas das restliche Werkzeug im Keller zusammensuchen. Dazu händigte Matthias uns ein schwer behangenes Schlüsselbund aus.