Freitag, 30. Januar 2009

Kapitel 7.3

Voll ausgestattete, überkünstliche, vollverklinkerte Studioküche, auf dem ersten Blick ist erkennbar, dass wenigstens dreiviertel der Kochausstattung für den Betrieb weder geeignet noch zugelassen sind.
Stimme aus dem Off: Wir begrüßen Sie herzlich zu einer neuen Folge von KOCH-CHEEEN MIT LAI-CHEEEN!
(Eine etwa endvierzigjährige, leicht übergewichtige Ursula Laichen mit einer Doris-Day-Frisur für Dicke betritt mit der Kinderausgabe einer weißen Schürze die Bühne.)
Laichen:
Guten Abend, guten Abend!
(Pause für Band-Applaus)
Laichen:
Ich begrüße Sie auch heute Abend wieder zu einer neuen Ausgabe von Kochen mit Laichen. Meine Name ist Ursula Laichen und ich freue mich, auch heute wieder mit Ihnen zusammen kochen zu dürfen.
(Blickt nichtssagend in die drei Windrichtungen des imaginären Publikums, das fleißig vom Band jubelt)
Laichen:
Heute kochen wir eine besondere Spezialität aus der Heimat meiner Großmutter, also auch meiner eigenen Heimat, heute kochen wir pommersche Tollatschen. Da sage ich nur – mmmh!
(Streichelt sich mit der Linken den Kugelbauch, während sie die rechte Hand zur Arschlochgeste hebt und sie im Verbund mit ihrem Körper von rechts nach links bewegt)
Laichen:
Dazu hab ich schon mal ein paar Sachen vorbereitet.
(Geht erst rückwärts, dann seitlich schreitend zur Arbeitsplatte und baut sich dahinter auf; Arbeitsplatte steht voll mit Schüsseln und Tellerchen mit Zutaten, auf die Ursula im folgenden jeweils mit dem Finger weist)
Laichen:
Für eine ordentliche Portion Tollatschen brauchen wir ein Kilogramm Mehl, da nehmen wir am besten Weißmehl, dazu zweihundertfünfzig Gramm Semmelbrösel, wenigstens vierhundert Gramm Zucker ...
(Grinst)
Laichen:
... wenn Sie ein kleines Schleckermäulchen zu Hause haben, tun Sie ruhig etwas mehr hinein, das schadet dem Geschmack überhaupt nicht! Höchstens dem Gewicht, haha! Außerdem brauchen wir zirka vier Teelöffel Salz, je einhundertsechzig Gramm Korinthen und Rosinen, zur Not können Sie auch einfach nur Rosinen nehmen, in der Mischung schmeckt's mir aber immer am besten. Dann brauchen wir noch die geriebene Schale einer halben Zitrone. Für den Geschmack sind die Gewürze enorm wichtig, dazu nehmen wir je eine Prise Anis, Kardamom, Zimt und Thymian.
(Hebt nacheinander vier einzelne Schälchen in die Höhe)
Laichen:
Außerdem sollten wir natürlich nicht den Geschmacksträger vergessen, das sind bei den Tollatschen zweihundert Gramm weiches, und das ist ganz wichtig, sonst gelingt der Teig nicht, weiches Griebenschmalz.
(Nun nimmt sie eine weiße Porzellanschüssel mit einer schwarzroten, dünnflüssigen Creme, hebt und kippt sie leicht in die Kamera)
Laichen:
Und als letzte Zutat darf natürlich nicht der halbe Liter Schweineblut fehlen.
(Setzt die Schüssel ab und weist mit der Rechten nach links auf einen großen Topf)
Laichen:
Zum Schluss brauchen wir nur noch etwa zwei Liter Fleischbrühe. Wenn Sie sie nicht selber auskochen wollen, können Sie ruhig Instant-Brühen verwenden, das reicht für unsere Zwecke vollkommen aus, schließlich brauchen wir die Brühe nur, um die Tollatschen darin garen zu lassen. (Kurze Pause) Wenn Sie die Zutaten jetzt nicht so schnell notieren konnten, können Sie sie zusammen mit der Zubereitung auch von unserer Videotextseite fünfhundertfünfundfünfzig abschreiben.
Laichen (lächelt in die Kamera): Jetzt machen wir erst mal eine kleine Werbepause, in der ich schon mal die Töpfe bereitstelle, und danach fangen wir gleich mit dem Kochen an.
Doofe Werbung.
Laichen (lächelt):
Hier sind wir wieder bei Kochen mit Laichen. Für die Zuschauer, die sich gerade erst eingeschaltet haben, möchte ich kurz sagen, was wir heute kochen. Es sind pommersche Tollatschen, die sind so lecker, die werden eines Tages das Land regieren. (Leckt sich das Maul, krampft die Mundwinkel zur Studiodecke und zuckt erheitert mit dem Kopf)
Laichen:
Zuerst müssen wir die Fleischbrühe erhitzen, damit wir nachher die Tollatschen darin garen können (weist auf einen bereits dampfenden Topf zur Linken). So, und für den Teig hab ich hier schon mal eine Schüssel vorbereitet, da geben wir nun das Mehl, die Semmelbrösel und den Zucker hinein. (Kippt die Zutaten in Rührschüssel, greift sich einen Kochlöffel und pampt die ersten Inhalte zusammen).
Laichen:
Das vermischen wir und geben gleich die Korinthen (Pause während des Auffüllens), Rosinen (Pause während des Auffüllens) und die (Pause, nimmt sich nach und nach die Gewürzschälchen) Gewürze hinzu. (Rührt weiter)
Laichen:
Wenn die Rosinen gut im Teig verteilt sind, nehmen wir das weiche Griebenschmalz (rührt mit rechts, greift mit links über Kreuz die Schmalzschale und lässt das Schmalz in die Schüssel ploppen) und zuletzt – das – Schwei- (rühr) -ne- (rühr) -blut. (Rührührühr)
Laichen (rührt kräftig weiter, glotzt dabei in die Kamera):
Das Schweineblut ist heutzutage wahrscheinlich am schwersten zu bekommen – wir haben ja früher immer noch Hausschlachtungen gemacht (blickt leicht verträumt) – heute wenden Sie sich dazu am besten an Ihren Schlachter, damit Sie es frisch bekommen, Sie sollten es aber auf jeden Fall rechtzeitig bestellen.
Laichen (nach weiteren Rührkreisen mit dem Löffel): Jetzt hat der Teig die richtige Konsistenz. Sollte er etwas zu weich sein, können Sie auch noch etwas Mehl hinzugeben. Wenn er aber richtig fest ist (greift knetend in die Schüssel und ächzt beim Handkneten kaum hörbar), dann können wir die Masse kneten. (Greift jetzt auch mit der anderen Hand in die Schüssel, knetet den Teig, bis er sich zu einer überdimensionalen, blutigen Mehlamöbe gewandelt hat, nimmt ihn aus der Schüssel, stellt die Schüssel zur Seite und klatscht den Teig auf die Arbeitsplatte)
Laichen:
Jetzt ist der Teig so weit, dass wir daraus Klöße formen können (pult ein Stück ab und rollt es in beiden Händen zu einer flachen Kugel) die machen Sie am besten etwa so groß wie Schafhoden, sag ich immer zu meinem Mann. (Grinst imbezil in die Linse der Kamera)
Laichen (packt den künstlichen Schweinebluthoden auf die Teigamöbe, schiebt Teig und Schüsseln beiseite, dreht sich um und zaubert eine Silberplatte mit etwa vierzig gestapelten Tollatschen aus einem Fach auf der dem Zuschauer abgewandten Seite der Kochinsel und packt sie auf die Arbeitsplatte): Ich hab natürlich schon welche vorbereitet. Inzwischen müsste die Fleischbrühe bereits heiß genug sein, damit wir die Tollatschen darin garen können. (Lässt ein paar pferdeapfelartige Klopse in die Brühe plumpsen.) Hier in der Brühe müssen die Tollatschen schließlich etwa 20 Minuten gegart werden, danach können wir sie herausnehmen.
Laichen (stellt die Platte weg, dreht sich nach hinten und zaubert eine andere Silberplatte mit fertig gegarten Tollatschen in das glasige Auge des Zuschauers): Das machen Sie am besten mit einer Siebkelle. (Beugt sich vor, winkt plötzlich mit einer hinter ihrem Rücken hervorgezogenen Siebkelle und grinst noch debiler als je zuvor in die Kamera. Ihre Locken reichen so weit in die Mundwinkel, dass man sieht, dass die Haarspitzen vom Sabber feucht werden.) Sie können die Tollatschen gleich heiß Ihren Lieben servieren, Sie können Sie aber auch abkühlen lassen und in einer kräftigen Portion Schmalz anbraten. Dazu schneiden Sie die abgekühlten Tollatschen am besten noch einmal in fingerdicke Scheiben und servieren Sie zusammen mit gebratenen Apfelscheiben. So, das war's für heute. Ich hoffe, es hat Ihnen so gut geschmeckt wie mir! Morgen machen wir übrigens kandierten Gelbflossenthun in Aspik mit eingefärbtem Pflaumenmus ...
(das Rauschebild versinkt in Mattscheibenschnee)